In rund einem Monat stehen Wahlen in der Türkei an. Präsident Recep Tayyip Erdogan steht dabei unter großem Druck. Zwar kann er auf ein beeindruckendes Wirtschaftswachstum von 7,4 Prozent im Jahr 2017 verweisen, viele Ökonomen bezweifeln jedoch diese Zahlen. Hohe Arbeitslosigkeit, viele Ausgaben des Staates, von Firmen und Privathaushalten sind auf Pump finanziert. In der …
In rund einem Monat stehen Wahlen in der Türkei an. Präsident Recep Tayyip Erdogan steht dabei unter großem Druck. Zwar kann er auf ein beeindruckendes Wirtschaftswachstum von 7,4 Prozent im Jahr 2017 verweisen, viele Ökonomen bezweifeln jedoch diese Zahlen. Hohe Arbeitslosigkeit, viele Ausgaben des Staates, von Firmen und Privathaushalten sind auf Pump finanziert. In der Folge stürzte die türkische Lira mehr und mehr ab – die Inflationsrate liegt inzwischen bei rund elf Prozent und damit weit über dem Wert von fünf Prozent, den die türkische Zentralbank anpeilt.
Erdogan will Zentralbank nach Wahlsieg zu Zinsenkungen zwingen
Erdogan selbst sieht die hohen Zinsen der Zentralbank als Mutter allen Übels. Sollte er die Wahl gewinnen, werde er die Zentralbank stärker kontrollieren und dazu zwingen, die Zinsen zu senken, so der türkische Präsident gegenüber „Bloomberg TV“. Einige heimische Wähler konnte er mit dieser Aussage sicher beeindrucken, schließlich sind verschuldete Unternehmen und Bürger gegen steigende Zinsen. Nach außen hin war dies jedoch erneut ein verheerendes Signal an die Kapitalmärkte, die Lira sackte in der Folge weiter in den Keller.
Auch die Renditen für türkische Staatsanleihen befinden sich auf einem Rekordniveau. Anleger sind somit nicht mehr bereit, dem Land zu bisherigen Konditionen Geld zu leihen. Die US-Ratingagentur „Standard & Poors“ hat die Kreditwürdigkeit der Türkei Anfang Mai auf BB- herabgestuft und folgte damit „Moody’s“, die der Türkei bereits im März eine sinkende Kreditwürdigkeit bescheinigt hatte. Eigene Fehler sieht der Präsident jedoch weiterhin nicht ein, die Schuldigen seien vielmehr „Devisenspekulanten, die Zinslobby und Feinde der Türkei unter dem Deckmantel von Ratingagenturen“.
Verlöre die türkische Lira weiter an Wert, könne dies verheerende Folgen haben, sagt Erdal Yalcin von der Hochschule Konstanz. Dann kann es zu einem „Fire Sale“ kommen, bei dem das „ausländische Kapital binnen weniger Tage das Land verlässt“. In der Folge werde es zu Insolvenzen von Unternehmen und Bankrotten für Familien kommen, weil „verschuldungsbasierte Politik nicht dauerhaft funktionieren kann“, so der Ökonom weiter.
Investoren durch anhaltende Unsicherheit abgeschreckt
Die sich absehbar verschlechternde Situation sieht Yalcin auch als einen Grund dafür, warum die ursprünglich für November geplanten Wahlen auf Juni vorgezogen wurden. Die anhaltende Unsicherheit und die angespannten Beziehungen zum wichtigsten Handelspartner der Türkei, der Europäischen Union, schrecken zudem zunehmend Investoren ab. Man warte ab, in welche Richtung sich das zunehmend autokratisch regierte Land entwickelt. Einen ähnlichen Kurs fährt auch die EU selbst. Auf Erdogan-Aussagen wie zuletzt im März, dass die Türkei weiter die EU-Vollmitgliedschaft anstrebe, reagiert die EU-Kommission inzwischen unterkühlt. Unter den jetzigen Umständen werde nicht daran gedacht, neue Kapitel in den Beitrittsverhandlungen zu eröffnen, hieß es aus Brüssel.